Die Arbeit mit Freelancern ist für Unternehmen aus vielen Gründen angenehm: Durch eine besonders hohe Vielfalt an Projekterfahrungen verfügen sie über eine breit gefächerte Expertise. Oft sind sie auf ein Thema spezialisiert, gleichzeitig sind sie aber auch geübt darin, sich schnell und umfassend in ein neues Themengebiet einzuarbeiten und gedanklich für alle Seiten gewinnbringende Transferleistungen zu vollbringen. Dabei sind Freiberufler im Gegensatz zu den eigenen Mitarbeitern nicht an firmeninterne Arbeitszeiten gebunden sondern können häufig flexibler arbeiten. Sie sind schnell engagiert, ohne dass man sich lange an sie binden müsste oder Verantwortung für sie übernehmen müsste. Personelle Engpässe können so effizient überbrückt werden. Sind sie krank oder machen Urlaub, werden diese Tage schlicht nicht berechnet.
Und auch die Arbeit als Freiberufler selbst hat viele Vorteile: Allen voran die Freiheit, sich die eigene Zeit frei einzuteilen und ortsunabhängig zu arbeiten. Zahllose Digitale Nomaden machen es vor, aber auch mit festem Wohnsitz ist es schön, etwa den einzigen sonnigen Tag der Woche privat zu verbringen, und dafür die To Dos am verregneten Wochenende vor- oder nachzuarbeiten. Bei guter Auftragslage können sich Freelancer ihre Kunden oder Aufträge nach Belieben aussuchen oder einen Teil der Arbeit in Absprache mit den Auftragsgebern von anderen Freien ausführen lassen. Als zugebuchter Experte in einem Thema kann man in einem Unternehmen oder einer Behörde in kurzer Zeit viel bewegen und erfährt so eine hohe Wertschätzung. Wer wirklich gute Arbeit leistet, wird wieder gebucht oder weiterempfohlen – und kann so ein respektables Einkommen erzielen. Die direkte Verbindung zwischen eigener Leistung und Verdienst ist ein starker Motivator für viele.
Der direkte Zusammenhang zwischen Leistung und Verdienst motiviert – aber das ist nicht alles
Doch Motivation ist nur ein (zugegeben: sehr wichtiger!) Teil dessen, was das Einkommen von Freiberuflern mit sich bringt. Sicher, für die allermeisten Arbeitnehmer ist Existenzsicherung das erste Ziel. Danach geht es weiter mit gesteigertem Lebensstandard, Status und Sicherheiten. Bevor diese Effekte bei Freelancern eintreten, dauert es aber erheblich länger. Und das ist der Grund, warum sie (auf den ersten Blick!) teurer sind als Angestellte.
Mir ist wichtig zu betonen, dass die überwiegende Mehrheit meiner Kunden dies als Selbstverständlichkeit anerkennt. Sie haben eine gute Vorstellung davon, warum mein Tagessatz so ist, wie er ist – und schätzen es, wenn ich diesen je nach Auftragsdauer oder -art auch mal punktuell nach unten anpasse. Leider gibt es gelegentlich auch solche, die die Höhe des Tagessatzes als Freiberufler nicht verstehen können und versuchen, ihn zu drücken. Andere Kunden gehen aufgrund des „hohen Tagessatzes“ davon aus, dass man auch bei einer Teilzeitbuchung jederzeit verfügbar sei, spätabends noch Aufträge per WhatsApp sofort erledigt und spontan bis Mitternacht an einer Präsentation sitzt.
Diese Situationen entstehen selbstverständlich nicht aus Boshaftigkeit – sondern viel mehr aus mangelndem Wissen über die Situation von Freelancern. Deshalb möchte ich heute darüber aufklären, warum der Tagessatz als Freiberufler so ist, wie er ist – und warum er teurer sein muss als das Gehalt von Angestellten.
Umsatz ist nicht gleich Gewinn!
Das ist mit Sicherheit eigentlich den meisten klar, schließlich gilt das genauso für jedes Unternehmen. Dennoch finde ich es wichtig, an diesem Punkt noch einmal daran zu erinnern: Der Betrag, den ich für einen Auftrag abrechne, ist weit entfernt von dem, der am Ende auf meinem privaten Konto landet. Vorher müssen diverse Kosten gedeckt werden – die auch nur zu gewissen Sätzen steuerlich geltend gemacht werden können.
Posten 1: Arbeitsmittel
Was Arbeitnehmer von ihren Unternehmen gestellt bekommen, damit sie ihren Job erledigen können, müssen Freiberufler selbstverständlich selbst anschaffen. Das sind Arbeitsmittel, die je nach Art der Arbeit regelmäßig erneuert, repariert und gewartet werden müssen. In meinem Fall ist das vor allem IT-Hardware sowie die entsprechende Software, die regelmäßige (kostenpflichtige) Updates erfordert.
Hardware:
- iMac
- MacBook / iPad für unterwegs
- Berufliches Smartphone
- Kameraausrüstung
- Drohne mit Zubehör
- Podcasting-Zubehör
Software und Abonnements
- Bildbearbeitungsprogramme wie Photoshop und Lightroom
- Plattform-Abonnements zum Einkauf von Stockbildern
- Designplattformen wie Canva
- Apps
Diese Liste lässt sich beliebig erweitern und natürlich für andere Dienstleistungen entsprechend anpassen. Sicher ist aber, dass jeder Freelancer solche oder ähnliche monatlichen Kosten einplanen muss.
Posten 2: Arbeitsplatz
Ein Büroraum zu Hause oder in einem Coworking Space muss sein – und auch der kostet. Außerdem braucht man dort:
- Drucker und Druckerpatronen
- Papier
- Strom
- Telefon und schnelles (!) Internet
Posten 3: Marketing und Akquise
Als Freelancer ist es Teil meines Jobs, kontinuierlich dafür zu sorgen, dass neue Aufträge hereinkommen. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern, welche die ihnen aufgetragene Arbeit erledigen, muss ich mir meine Arbeit erst einmal selbst beschaffen. Dies geschieht in unbezahlter Arbeitszeit, die ich unter anderem in folgendes investiere:
- Aufbau, Hosting und Pflege der eigenen Webseite
- Aufbau und Pflege der eigenen Social Media Plattformen
- Beziehungspflege und Netzwerk-Events
- Kommunikation zur Anbahnung eines Auftrags inklusive intensiver Vorgespräche
- Teilnahme an Ausschreibungsverfahren
- Kosten für Visitenkarten, Werbeanzeigen etc.
Posten 4: Reisekosten
Je nach Auftragsdetails werden Hotel und Anfahrt von manchen Auftraggebern bezahlt, aber es gibt auch All-In-Tagessätze. In solchen Fällen muss ich folgende Kosten vom Tagessatz zahlen:
- Hotelkosten
- je nach Transportmittel Ticketpreise und/oder Sprit- sowie Verschleißkosten
- Versicherung des eigenen Fahrzeugs (je nach Art des Auftrags und Sitz des Kunden ist dies alternativlos)
- Verpflegung
Und wo wir schon beim Thema Reisen sind… Will ich als Freelancer nicht auch im Urlaub arbeiten, muss ich im restlichen Jahr genug verdienen um mir nicht nur (wie jeder Arbeitnehmer) den Urlaub an sich, sondern überhaupt erst einmal die verdienstfreie Zeit leisten zu können. Denn, klar: Freiberufler bekommen kein Urlaubsgeld, sondern müssen sich im Gegenteil die freie Zeit quasi „erkaufen“.
Posten 5: Versicherungen und Finanzen
- monatliche Kosten für das Geschäftskonto
- Rentenversicherung / Vorsorge
- Steuerberatung: einige hundert Euro pro Monat sind nicht außergewöhnlich
- Einkommenssteuer: Diese müssen Freiberufler in Vorauszahlungen leisten. Problem: Trotz eines Zahlungsziels von zehn Tagen warten wir manchmal 40 bis 60 Tage, ehe eine Rechnung bezahlt ist – wir müssen also in der Lage sein, diese Kosten vorzufinanzieren. Fun Fact: Umgekehrt warten wir auf Erstattungen vom Finanzamt oft viele Monate.
- Berufshaftpflichtversicherung: Je nach Tätigkeit und Versicherung sind das um die 1.000 Euro im Jahr. Eine solche Versicherung muss man nicht haben, sie ist aber sehr empfehlenswert – und bei einigen Kunden, speziell bei Behörden, ist sie Grundlage für das Zustandekommen eines Beratervertrages.
- Krankenversicherung: Die müssen Freiberufler selbstverständlich komplett selbst zahlen. Schon ohne die Absicherung von Krankengeld sind das mehrere hundert Euro im Monat. Sichert man Krankentagegeld mit ab, muss man in jedem Fall das gesetzliche Krankengeld ab dem 43. Tag dazu buchen und kann dann erst Dinge wie Krankengeld ab dem 22. Tag hinzubuchen, was übrigens ziemlich teuer ist und niemals den normalen Tagessatz einbringt. So oder so: Die entstehende Versorgungslücke bleibt.
Posten 6: Kosten für andere Dienstleister
Nicht jeder Freelancer kann ausnahmslos alles, was er fürs eigene Business braucht, selbst. Hier werden Kosten fällig, etwa für:
- Webmaster: Für die Pflege, Wartung und ggf. (Um-)Programmierung der eigenen Webseite
- Art Designer: Für Logo, CI, Bildsprache, Gestaltung von Visitenkarten etc.
- Spezialisten, etwa für Rechtsneuerungen wie 2018 die DSGVO
Posten 7: Weiterbildung
Neben der reinen Arbeitszeit zahlen Aufttraggeber immer auch für die Expertise von Freelancern. Im Vergleich zu den eigenen Mitarbeitern haben diese häufig einen wesentlich breiteren Erfahrungsschatz und eine hohe Diversität in ihren vergangenen Projekten. Der Wert von Freiberuflern setzt sich also auch aus ihren vergangenen Tätigkeiten und Investitionen zusammen. Da wären:
- Das Studium
- Mitunter viele Jahre Berufserfahrung im jeweiligen Bereich…
- …und das Wissen, das viele unterschiedliche Aufträge in dieser und anderen Branchen mit sich bringen
- Weiter- und Fortbildungen, die nötig sind, um die eigene Expertise zu halten. Fortbildungskosten belaufen sich gerne schon mal auf 3.000 Euro für eine zweitägige Weiterbildung – selbstverständlich bei gleichzeitigem Verdienstausfall!
Last but not least: Das unternehmerische Risiko
Abschließend wäre da dann noch das unternehmerische Risiko von Freelancern. Sie sind darauf angewiesen, Rücklagen aufzubauen – denn im Gegensatz zu Angestellten können sie sich nicht auf ein regelmäßiges Einkommen verlassen. Wenn Freiberufler nicht gebucht sind haben sie schlichtweg keine Einnahmen. Und dabei ist es egal ob das an schlechter Akquise, Krankheit oder psychischer Belastung liegt – oder etwa an einer Pandemie! Soloselbständige können aktuell mitunter nicht nur nicht arbeiten, sie werden auch bei den Coronahilfen nicht ausreichend berücksichtigt. Viele Existenzen sind in den letzten Monaten daran gescheitert. Aber selbst wenn während des Arbeitslebens alles glatt läuft – spätestens für die eigene Rente müssen Freelancer Rücklagen bilden, denn für die sind sie komplett selbst verantwortlich.
Ja, Selbständigkeit ist toll!
Ich hoffe, es ist klar geworden: Ja, Selbständigkeit ist toll. Die meisten Freiberufler haben sich sehr bewusst für diese Form der Arbeit entschieden und schätzen die Flexibilität und Vorteile ihrer Art zu arbeiten sehr. Funktionieren kann die allerdings nur, wenn auf beiden Seiten Klarheit über die Arbeitsbedingungen und die entsprechende Wertschätzung herrscht. Und ein Bewusstsein darüber, dass ein Tagessatz aus mehr besteht als der reinen Arbeitszeit des Gegenübers.
„Übrigens: Auch wir Freelancer wollen nicht in unserer Entwicklung stehenbleiben. Ich zum Beispiel habe das Ziel, dass mein noch junges Business nicht mehr von mir allein abhängig ist. Momentan hole ich mir bei größeren Aufträgen andere Freie dazu, aber finanziell betrachtet ist das eine Milchmädchenrechnung – denn aus dem großen Kuchen wird dann eben doch schnell nur meine kleine Sahneschnitte. Der Plan, um das zu ändern? Gründen, und meine eigene Agentur aufbauen, das heißt: Gründungskosten, Notarkosten und, und, und – 25.000 Euro Einlage für eine GmbH sind da erst der Anfang.“)
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